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Fantasie als Lebenselixier – und als Bedrohung

„Scheherazade“ und „Der Sandmann“ an der Dreiflüsse-Realschule

Den Auftakt eines zweiteiligen Theaterabends der Realschule in der Turnhalle von St. Anton gestalteten die Fünftklässler. In einem ganz neuen Theaterstil, dem Greenscreen-Theater, präsentierten die jungen Akteure die Rahmenhandlung der Märchenerzählungen aus 1001 Nacht.
Scheherazade (Noemi d’Amore) ist ein kluges Mädchen, das sich nicht einfach dem Schicksal ihrer Vorgängerinnen ergeben will. Sultan Sharirar (Chadi Ahansal) rächt sich an allen Frauen für die Untreue seiner Gattin: Er heiratet jeden Tag eine neue Frau und lässt sie am nächsten Morgen enthaupten. Scheherazades Vater und ihre Schwester (Lorena Pop und Aleksandra Arabazhy) sind deswegen zutiefst betrübt. Da beginnt die listige Scheherazade mit der spannenden Geschichte vom Fürsten Omed (Mariam Luciani), der seine Tochter einem seiner drei Neffen zur Frau geben will. Vor drei Leinwänden – außen zwei Greenscreens, in der Mitte eine weiße Projektionsfläche – entfaltet sich das Geschehen. Prächtige Kulissen, etwa das Innere eines Sultanspalasts, werden auf die mittlere Leinwand projiziert. Die Schauspieler agieren vor dem Greenscreen und erscheinen gleichzeitig auf der Leinwand – so entsteht die Illusion einer einzigartigen Szenerie. Einige Szenen dieser Technik sind besonders eindrucksvoll: die geköpfte Gattin tanzt mit ihrem Kopf neben sich, eine Fahrt auf dem fliegenden Teppich, der Ritt auf Kamelen durch die Wüste, das Feilschen auf einem Basar. Die drei Prinzen (Erina Zeneli, Polina Roldugin und Valeria Potaschow) erstehen bei Händlern (Safija Cobic, Zehra Karatas) drei Wunderdinge für die Prinzessin (Leonie Stuis): einen fliegenden Teppich, ein Zauberfernrohr und einen Apfel, der Kranke gesund machen kann. Kurz vor dem Ende der Geschichte bricht die Erzählerin ab – die Nacht ist um. Da der Sultan unbedingt wissen will, wer die Prinzessin bekommt, bleibt Scheherazade am Leben. So erzählt sie noch weitere 1001 Nächte ihre Märchen. Der Sultan gewinnt sie lieb – und das Erzählen hat ihr das Leben gerettet.

Weniger glücklich endet die dramatisierte Fassung der romantischen Erzählung „Der Sandmann“ nach E. T. A. Hoffmann. Der Junge Nathanael (Leonard Ortmeier) hat seit seiner Kindheit große Angst vor dem Sandmann, der Kindern Sand in die Augen streut und sie ihnen ausreißt. Er glaubt, dass ein Freund seines Vaters, der seltsame Coppelius (Cosmin Duna), die Verkörperung dieses Sandmanns ist. Schon früh lässt sich Nathanael von der virtuellen Welt der Computerspiele mitreißen. Auch seine Mutter (Safija Cobic) und sein Freund Siegmund (Chadi Ahansal) schaffen es oft nicht, ihn in die Realität zurückzuholen. Der Tod seines Vaters während eines alchemistischen Versuchs traumatisiert Nathanael zutiefst. Er ist überzeugt, dass Coppelius für dessen Tod verantwortlich ist. Nach einer Phase der Beruhigung verliebt er sich in die vernünftige Clara (Laura Milos), doch auch sie kann ihn nicht von seinem Verfolgungswahn abbringen. Wieder greift er zur virtuellen Brille. Dabei hält er Olimpia (Emelie Schneider), eine Maschinenpuppe, die Spalanzani (Peter Popovics) ihm vorstellt, für ein liebendes Mädchen. Als Olimpia zerstört wird, zerbricht Nathanael vollends. Gefangen in seiner Alptraumwelt, geht er schließlich in ihr zugrunde.
Spielleiterin Raab gelang es außergewöhnlich eindrucksvoll, mit ihrer Schauspielgruppe von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe die bedrückende Atmosphäre zwischen Albtraum und Wahn darzustellen. Mit sehr sparsamen Requisiten, ein senkrecht aufgestelltes Brett als Bett, weiße Stühle, ein Kuscheltier und Musik der Moderne, entstand eine eindringliche Szenerie der Bedrohung. Insgesamt eine Inszenierung, die mit jeder Oberstufenproduktion mithalten kann und ein weiterer Beleg für das hohe Niveau der Theaterarbeit an der Dreiflüsse-Realschule. Nicht zuletzt wurde die Schule vor kurzem für diese Leistungen mit dem Staatspreis ausgezeichnet. Die aufwändige Produktion des ersten Teils wäre ohne Unterstützer wie der PNP-Stiftung, der F. Burkert, Licht & Ton sowie den Förderverein der Schule nicht möglich gewesen. Schulleiterin Marion Katzbichler konnte zahlreiche Gäste begrüßen: Bürgermeister Andreas Rother, stellvertretenden Landrat Klaus Jeggle und Rektor a.D. Erwin Kronschnabl. Stadträtin Sissi Geyer und Gudrun Dachs von der Sparkasse Passau sind seit Jahren treue Besucherinnen der Aufführungen.